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ÖKOLOGISCHE ZUKUNFTSFÄHIGKEIT DR. ECKART VON HIRSCHHAUSEN ARZT, WISSENSCHAFTSJOURNALIST UND GRÜNDER DER STIFTUNG „GESUNDE ERDE - GESUNDE MENSCHEN“ Liebe alverde-Lesende, ein Witz vorneweg: Unterhalten sich in den Bergen zwei Yetis. Sagt das eine zum anderen: „Du, ich habe neulich Reinhold Mess ner gesehen!“ Darauf das andere: „Wie? Den gibt es wirklich?“ So sagenumwoben die Yetis sind, so aufgeregt war ich, als ich bei der Zukunftswoche von dm im vergangenen September in Berlin den echten und einzigartigen Reinhold Messner befragen durfte. Er war Teil der Dialogrunde zur ökologischen Zukunftsfähigkeit und zur planetaren Gesundheit. Übrigens, wer das ganze Gespräch anschauen will, findet es bei Youtube (QR-Code links). Reinhold ist mit seinen 79 Jahren eine lebende Legende und hat von all seinen Touren eine enorme Lebenserfahrung und Überzeugungskraft mitgebracht. In seinem neuen Buch „Sinnbilder“ schreibt er über den Sinn des Verzichts, der ihm klar wurde, nachdem er am Mount Everest in eine Gletscherspalte gefallen war und sich da unten eigentlich geschworen hatte, aufzugeben: „Aber nicht der Ver- icht auf das extreme Bergsteigen selbst, sondern das immer radikalere Weglassen von Hilfen-Trägern, Funkverbindung, Lager, Fixseilketten, Partner, Sauerstoffgeräte, brachte mich weiter. Meine Expeditionen waren leicht, schnell und kosten- günstig. Auch ökologisch sauber, weil kaum Müll zurückblieb.* Das Wort „Verzicht“ ist in der politischen Diskussion zu einem Unwort geworden, wer Verbote und Verzichten fordert, gilt als Feind der Freiheit. Umso überraschender, wie ein Bergsteiger den Verzicht sieht, als zentrale Strategie für den persönlichen Erfolg, das kollektive Überleben und damit auch als Motor der Freiheit. Was brauchen wir wirklich, was schleppen wir unnö- tig mit uns herum, was zieht uns mehr hinunter, als dass es uns beflügelt? Wer auf 8.000 Meter ohne Atemgerät klettern will, muss sehr klar darüber sein, was er mitnimmt und was nicht. alverde Messner geht sogar noch weiter: „Älterwerden, ja, schon das Erwachsenwerden, ist ein Prozess, der uns lehrt, dass wir mit Verzicht wachsen können. Umgekehrt betrachtet: Vieles von dem, was wir haben, brauchen wir nicht. Erst mit dem Verlust von Unsterblichkeitswünschen kann jenes Vertrauen in uns wachsen, dass die Hoffnung nährt, die Menschheit hätte eine Zukunft.“ Wow! Große Worte. Und seine Frau Diane Messner ergänzt: „Der Verzicht hat sich angenehm in unseren Alltag geschlichen. Je weniger wir besit- zen, desto mehr Zeit bleibt uns, auch füreinander.“ Zeit statt Zeug? Klingt nach einem guten Motto. Wir haben Januar, vor uns liegt das Jahr 2024, noch unberührt und „leer“. Ich neigte immer dazu, mir jedes Jahr neue „Vorsätze“ zu nehmen, die mich spätestens ab Februar nur noch nervten, weil ich an den hohen Erwartungen an mich selbst nur schei tern konnte. Dieses Jahr nehme ich mir mehr „weniger“ vor, also Dinge wegzulassen. Und ganz im Sinne Messners möchte ich wieder mit leichterem Gepäck unterwegs sein. Die Gletscher schmelzen. Was Reinhold in seiner Kindheit für ewiges Eis hielt, ist in einer einzigen Lebensspanne zerlaufen, durch unseren menschlichen Eingriffin die uralten Kreisläufe. Die Antarktis, die er ebenfalls zu Fuß durchquert hat, darf nicht schmelzen, sonst steigt der Meeresspiegel um über 50 Meter. Nicht sofort, aber wenn der Prozess einmal in Gang kommt, ist es unwiderruflich, nicht umkehrbar, für immer. Das ist unsere Langstrecke. Das ist unser aller Herausforde- rung. Und ihr begegnen wir am besten mit einem klaren Ziel vor Augen, mit einer Verantwortung, die wir schultern, und noch viel wichtiger: mit leichtem Gemüt. Ich werde mich nicht mit neuen Zielen „beschweren“ und mich dann auch noch über die Welt und mich beschweren, wenn ich gar nicht alles schaffe. Lieber nehme ich mir vor, mehr „Nichts“ zu tun. Und ein bisschen was von der „Einöde“ und den großen weißen freien Flächen im Kalender als Freiheit zu sehen. Und zu ver- teidigen. Machen Sie mit? Ihr Eckart v. Hirschhausen Januar 2024 81