Aktueller Prospekt Dm Drogerie - Prospekte - von 01.08 bis 31.08.2023

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INTERVIEW Kühler Kopf in hitzigen Debatten Kontroversen schrecken Juli Zeh nicht und die Angst vor einer Spaltung der Gesellschaft hält sie für herbeigeredet. Ein bisschen mehr Wir-Gefühl wünscht sie sich aber schon. Zwei Studienabschlüsse, ein Dutzend Bestseller sowie Literatur-Auszeichnungen und die Fähigkeit, zu fast jedem aktuellen Debatten-Thema druckreif kluge Gedan- ken zu formulieren: Eine Begegnung mit Juli Zeh könnte ziemlich einschüchternd sein. Das Gegenteil ist der Fall. Die Schrift- stellerin, die mit Hund Yuki zum alverde- Interview kommt, ist offen, locker und hat erkennbar Spaß am ungewohnten Spiel mit der Kamera. Als es im Gespräch um Debattenkultur im Lande geht, gibt sich Juli Zeh gelassen: Rezepte, die die Erregung herunterfahren, liefert sie nicht, dafür die Einsichten einer hellwachen und empathischen Beobachterin alverde: Wie haben Sie gelernt, streitbar zu sein? Juli Zeh: Ich hatte immer das Gefühl, dass ich als öffentliche Person die ethische Verpflichtung habe, meine Plattform zu nutzen. Wenn ich ein Thema sehr wichtig finde und ich das Gefühl habe, hier läuft was schief, dann sage ich das, auch wenn ich gar keine Lust auf den Konflikt habe. Und ich halte nichts von Feigheit, ich finde es wichtig, dass man seine Ängste überwindet In der Debatte um Datenschutz und Überwachung haben Sie vor über zehn Jahren die Position für individuelle Freiheitsrechte vertreten. Für dieselben Werte traten Sie auch in der Coronazeit ein. Wenn Sie die beiden Debatten ver- gleichen - was hat sich geändert? Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Als es um Datenschutz ging, bekamen JULI ZEH Die Juristin und Philosophin ist seit ihrem Debütroman „Adler und Engel“ 2001 auf den Bestsellerlisten ebenso zu Hause wie im Feuilleton. „Corpus Delicti“ ist in einigen Bundesländern Schullektüre, „Über Menschen“ war 2021 der meistverkaufte Hardcover-Roman. Ihr aktuelles Buch „Zwischen Welten“ (Luchterhand Literaturver- lag) ist ein zusammen mit Simon Urban geschriebener Briefroman, in dem zwei alte Freunde sich über ihre unterschiedlichen Lebenswelten und Ansichten auseinandersetzen. Juli Zeh ist ehrenamtliche Richterin am Verfassungsgericht Brandenburg, dem Bundesland, in dem sie seit über 20 Jahren lebt. Sie ist ein großer Pferde-Fan. Am meisten bewundert sie an ihnen „die Fähigkeit, sich mit völlig anders gearteten Wesen anzufreunden“. Eine Schriftsteller-Kollegin, der sie viel Aufmerksamkeit wünscht, ist Verena Keßler. Ihr Lieblingsritual am Sonntag ist, Pfannkuchen für ihre Kinder zu backen. alverde August 2023 diejenigen, die sich für individuelle Frei- heiten ausgesprochen haben, keinen Widerspruch, weil unsere Bedenken gar nicht richtig ernst genommen wurden Die Reaktion war eher: „Was bitte ist das Problem?“ In der Coronazeit war es genau umgekehrt: Da hat man mit jeder noch so gemäßigten Bemerkung eine ungeheure Aufmerksamkeit bekommen, aber auch allerheftigsten Gegenwind. Es gab ein ext- remes Schwarz-Weiß-Denken Lag das vorwiegend am Thema oder daran, dass das Erregungslevel jetzt höher ist? Nehmen wir statt Datenschutz den Irak- krieg und die Sicherheitsdebatte nach 9/11 Auch das waren existenzielle Themen, die genauso richtungsweisend waren wie viele Fragen während der Coronadebatte. Der Diskurs war damals auch sehr kontrovers. Ich kann mich an Talkshows erinnern, in denen ich mich richtig mit Leuten gefetzt habe. Trotzdem ist es jetzt anders: Man bekommt sehr schnell ein Label aufge- klebt als vermeintlicher Vertreter eines bestimmten Lagers. Dann fühlt man sich ständig in der Defensive. Das Freund- Feind-Denken ist stärker geworden Die heutige Debattenkultur empfinden viele als überhitzt ... ist Social Media an allem schuld? Sie wirkt in mancher Hinsicht als Kata- Iysator, aber Technik ist nie schuld. Man könnte sie auch anders verwenden und zum Beispiel auf Twitter nett sein (lacht) Ich habe das Gefühl, dass es einen kleinen