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Aktueller Prospekt Rossmann - Prospekte - von 31.01 bis 06.04.2025

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D ie Geschichte beginnt etwa 2020. Ein paar Absolventen der Forstwirtschaft an der Universität Eberswalde haben eine Idee: Sie wollen Wälder pflanzen, aber in Städten. Verwilderte Wälder, die wir hier einfach mal „Urwälder“ nennen. Und tatsächlich hat sich jemand gefunden, der sie beauftragt, in Zichow in der Uckermark, und dort entsteht ihr erster wilder Wald. Ehe sie sich versehen, pflanzen sie ihre Miniwälder überall, 22 Wälder seit Gründung ihres Vereins MIYA, mal in Industriebrachen und mal vor Schulen oder Kindergärten. Und es boomt weiter. So reisen sie durchs Land, sie halten Vorträge, sie koffern verölte und übernutzte Böden in Großstadtrevieren aus, etwa 80 Prozent ihrer Wälder pflanzen sie in Städten, dort zerren sie Kabel und Bauschutt und verwitterte Rohre aus der Erde, schütten Fuhren von Mutterboden auf Grundstücke, die sonst niemand mehr nutzt, sie verbessern die Porosität des Bodens, indem sie organische Substanz einbringen und sorgsam eine Mulchdecke legen, und so pflanzen sie ihre Wälder an den ungewöhnlichsten Stellen, zwischen Gleisanlagen und stillgelegten Industriehallen. Das Schöne ist, dass es relativ billig ist, sich einen „Urwald“ hinzustellen, mit höchstens 50.000 Euro ist man dabei. Und es geht auch noch schnell. Denn es sind ja Miniwälder, 200 Quadratmeter im Schnitt – und trotz des Zwergenformats bekommt man eine schicke Wildnis, mit 600 oder 800 Sträuchern, mit Habitatbäumen, also jenen Bäumen, die den Wald prägen, zudem Nebenbaumarten wie Weißdorn, mit Gräsern, Brombeeren, Buntmeisen, Kröten, Wanzen. Tiny Forest heißen diese Wälder; die Idee geht auf den japanischen Botaniker Akira Miyawaki zurück, der bereits in den 70er-Jahren daran arbeitete. Miyawaki verstarb 2021, doch seine Idee lebt weiter. Nebenbei entstehen so kleine Insektenparadiese. Denn die „Urwäl- der“ sind Inseln der Biodiversität. Vor allem Schmetterlinge, Wildbienen und Hummeln finden hier für ihre frühen Entwicklungsstadien dringend benötigte Schlupflöcher. Die Tiny-Forest-Leute besuchen und beobachten ihre wilden Pflanzungen regelmäßig. Bereits nach dem zweiten Jahr konnten sie in vielen „Urwäldern“ Furchen- und Seidenbienen sowie Schmetterlinge wie Admiral, C-Falter und Tagpfauenauge ausmachen. Nach etwa vier Jahren kämen vermehrt die Käfer, erzählen sie. Größere Wanzen, Florfliegen natürlich, Marienkäfer, gefolgt von Vögeln – Meisen, Buchfinken, Rotkehlchen, Spechte. Dass die TinyForest-Leute das sogenannte Totholz liegen lassen, ist unerlässlich – nur so kann Biodiversität eine (kleine) Chance haben. Die Natur erholt sich offenbar rasch – das ist die gute Nachricht. Und: Die „Urwälder“ werden schnell angenommen. Dies zeigt, dass in unserer Umwelt auch noch das Potenzial für eine derartige Besiedlung vorhanden, es also noch nicht zu spät ist. Auf fünf Kontinenten sind drei Viertel der Naturräume bereits gestört oder gar vernichtet. Mehr als 80 Prozent der Feuchtgebiete sind durch menschliche Eingriffe zerstört, wie der Weltbiodiversitätsrat schreibt. Die Zerstörung von Korallenriffen und Küstengebieten ist dramatisch. Zwei Drittel der Meere sind nicht mehr intakt. Wir stehen am Anfang des sechsten großen Artensterbens. Was aber hat das mit Biodiversität zu tun? Ganz einfach: Diversität erhöht die Robustheit eines Systems. Je vielfältiger es ist, desto anpassungsfähiger ist das System als Ganzes. Der Genpool kann für das, was auf uns zu- kommt, gar nicht groß genug sein, und das gilt für Fauna und Flora. Kann man diese Entwicklung mit kleinen „Urwäldern“ aufhalten, gar umkehren? Nein. Quantitativ sind die Pflanzungen der Tiny-Forest-Leute kaum mehr als ein Trostpflaster. Andererseits: Es ist ein Anfang. Und vielleicht kommt es ja genau darauf an. Die Nachfrage zumindest steigt: Im vergangenen Jahr haben sie in Eberswalde immerhin einen Umsatz von fast 300.000 Euro gemacht. Unsere Ur-Ur-Ur-und-so-weiterGroßmütter und -väter hatten in Wäldern und Savannen gelebt; das war und bleibt unser evolutionäres Erbe. Die Erinnerung an die echten Wälder, die Urwälder, ist nicht völlig verschwunden. Ein schwaches und romantisch gefärbtes Echo dessen mag in uns modernen Menschen noch nachklingen, wenn wir beim Waldspaziergang abseits der Wege gehen und uns dort anders fühlen. Nicht ängstlich, nicht verloren, sondern als gehörte ein Teil von uns hierher. Dass die „Urwälder“, die die Crew aus Eberswalde pflanzt, derart boomen, liegt vielleicht auch daran, dass sie über die Biodiversität hinaus so etwas wie Reservoirs der kollektiven Erinnerung sind, Inseln der Sinnlichkeit, der ökologischen Balance und der kleinen Abenteuer – wenn man einen Specht beobachten darf, wenn man zufällig erspäht, wie ein Wiesel durch die Büsche schnürt. Es sind Abenteuer, die wie ein Echo sind für etwas, was wir verloren haben, Abenteuer, für die man keinen künstlichen Adrenalinkick braucht, um sich lebendig zu fühlen. Der „Mini-Urwald“ ist eine Möglichkeit, sich zu besinnen, die Nuancen und leiseren Töne der Natur wieder aufzunehmen. „In unseren Wäldern“, sagt Stefan Scharfe, der von Anfang an dabei ist, „kann man erleben, wie sensibel und schön die Natur ist – überhaupt, der ganze Planet, den wir als Eigentum betrachten.“ 27